Feder- und Fledertiere
naturnahe Gärten
Frühling ohne Vogelgezwitscher
können wir uns das vorstellen? Rund 40 Prozent der Brutvogelarten in der Schweiz stehen auf der roten Liste, sind gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Das kann verschiedene Ursachen haben: Veränderung der Lebensräume, Störungen, zu wenig Nistplätze und Nahrung. Die Zugvögel sind an ihren Rast- und Überwinterungsplätzen im Süden (Vogelfang, Umweltveränderun-gen) ebenfalls in Gefahr. Dort wie hier wird es für sie eng.
Ersatzlebensräume
Natürliche Lebensräume verschwinden laufend wegen Überbauungen, Nutzbarmachung oder starken Veränderungen aufgrund der Klimaerwärmung. Die fehlenden artgerechten Lebensräume sind nicht wirklich ersetzbar, aber manche Tierarten der Waldgebiete, der Weiden- und Kulturlandschaften gewöhnen sich allmählich an den Menschen und verstehen seine Bauten geschickt zu nutzen. In der Stadt Zürich brüten Alpensegler und Wander- und Turmfalken an Hochhäusern. Die Ringeltaube, der Grün- und Buntspecht, der Teichrohrsänger und viele andere Arten beginnen, die Stadt mit ihren Parks und Grünräumen zu besiedeln. Mehlschwalben kleben ihre halbrunden Nester bevorzugt unter Dachvorsprünge. Fledermäuse haben sich schon längst alte Kirchtürme und Dachstöcke als Wochenstuben ausgesucht. Doch die neuartige Architektur mit ihren glatten Wänden, kompakten Balkonen und ritzenlosen Dachübergängen lässt sowohl Feder- wie Fledertiere aussen vor: Sie finden keine Unterschlüpfe mehr. Und wenn ausnahmsweise doch, werden sie leider oft von verständnislosen Menschen vertrieben. Kein Fledermauskegelchen auf dem blankpolierten Fenstersims wird geduldet. So steuern wir geradewegs auf einen noch rasanteren Artenschwund zu und unsere Kinder oder Enkel werden einst nicht mehr wissen, was ein Rotkehlchen oder ein Mausohr ist.
Wir können etwas dagegen tun
hier und gleich: Wohnungsumgebungen und Grünräume naturnah gestalten, bringt Erfolge. Hecken, Sträucher, alte Bäume mit Hohlräumen, blütenreiche Wildpflanzenwiesen ziehen Insekten und mit ihnen Vögel und Fledermäuse an. Nahrungsangebote, Versteckorte, Brutplätze, Vernetzungs-strukturen. Darum dreht sich alles!
Der Buntspecht ist als Hackspecht auf alte Bäume angewiesen. Er hackt sich eine Bruthöhle in den Stamm und sucht mit seiner Schleuderzunge im Sommer wie im Winter nach Insekten hinter der Borke. In der kalten Jahres-zeit ist er auch im Siedlungsgebiet anzutreffen, sonst gilt er als Wald-bewohner. Das weithin schallende Trommeln dient nicht der Nahrungssuche, sondern der Markierung seines Reviers.
Nahrungsangebote
Die verschiedenen Vogelarten brauchen dreierlei Nahrung: Körner und Samen, dann Früchte und Beeren, weiter Insekten, Käfer, Larven, Würmer. Insektenfresser ziehen in den Wintermonaten meist nach Süden, weil sie hier zu wenig lebende Nahrung fin-den. Ausnahmen sind Baumläufer, Wintergoldhähnchen, Spechte, Zaunkönige u.a. Sie brauchen alte Bäume mit Spalten und Löchern, Holzstösse, Kompost- und Laub-haufen, wo sie Insekten und deren Larven finden. Manche Arten ernähren sich im Sommer während der Brutzeit von Insekten und Raupen und stellen im Winter auf Körner-/Samennahrung um. Wie in anderen Beiträgen schon beschrieben, ist es für sie überlebenswichtig, dass dürre Blumen und Stauden mit ihren Samen stehenge-lassen und beerentragende Sträucher erst im März geschnitten werden.
Hier gleich noch ein Wort zur Winterfütterung: Wer Freude am Beobachten von Vö-geln hat, darf ruhig einen Futterplatz mit artgerechtem Futter (Kerne, Samen, Nüsse) einrichten, auch wenn dies nicht wirklich nötig ist. Brot gehört jedoch keinesfalls da-zu, auch nicht ans Seeufer aus Mitleid mit den Wasservögeln! Nur gewisse Meeres-vögel haben die Möglichkeit, Salz wieder auszuscheiden – unsere Sing- und Wasser-vögel jedenfalls nicht, was ihrer Gesundheit schadet.
Versteck- und Brutorte
Es sind dichte Hecken mit oder ohne Dornen, hohe Bäume, Baumhöhlen, Dachni-schen, verfilzte Grasbüschel mit Mulden, manchmal sogar Blumentöpfe oder unbenutzte Briefkasten. Gerne können auch Nistkästen aufgehängt werden. Öffnung nach Ost/Südost, ausser Reichweite von Menschen, Greifvögeln, Mardern und Katzen.
Für Mehlschwalben angebrachte künstliche, halbrunde Nester. Selbst finden sie kaum mehr offene Lehmpfützen und Wege, wo sie sich das Material für den Nestbau beschaffen können.Darunter angebrachte Kotbretter (Abstand mindestens 50 cm) verhindern die Verschmutzung der Hausfassade.
Vernetzung und Trittsteine
Kleinere Vögel werden gerne von Greifvögeln gejagt. Turmfalke, Wanderfalke, Habicht und Sperber halten sich auch im Siedlungsgebiet auf, um solche zu erbeuten. Die Kleinvögel meiden deshalb offene Flächen und bewegen sich nur von Busch zu Busch und von Baum zu Baum in nicht sehr grossen Abständen. Sie brauchen ein Netzwerk von höheren Gehölzen, welches sich wie ein Strassennetz durchs Sied-lungsgebiet zieht. Einzelne hohe Bäume sind dazu überlebenswichtige Trittsteine. Das sollten wir ihnen in Gärten und öffentlichen Grünräumen bieten. Üppige Fassa-denbegrünungen und begrünte Flachdächer sind ebenfalls sehr vogelfreundlich.
Vögel und Katzen
Die Vogelwarte Sempach gibt nachstehende Tipps ab und meint dazu:
Viele Vögel brüten zwei- oder sogar dreimal pro Saison, es gibt also den ganzen Sommer bewohnte Nester und Nistkästen, die den Jagdtrieb der Katzen wecken. Auch ungeschickt am Boden herumflat-ternde Jungvögel sind leichte Beute für Katzen.
Tipps:
Nistkästen so aufhängen, dass Katzen keinen Zugang finden: an Fassaden, mindestens 2 Meter ab Boden anbringen, nicht am Baumstamm, sondern frei hängend an einem nicht zu dicken Ast, katzen-sichere Nistkästen verwenden.
• Den Stamm mit Dornenzweigen, einer Manschette aus Drahtgeflecht oder einem nicht zu schmalen Streifen aus festem Plastik (da rutschen die Krallen ab) umgeben, nicht mit Stachel-draht!
• Um das Vogelbad oder Futterhäuschen 2 bis 3 Meter freien Raum lassen, so hat die Katze keine Deckung und wird vom Vogel schneller bemerkt.
• Katzen einige Tage einsperren, wenn Jungvögel flügge werden und zum ersten Mal das Nest verlassen.
• Das berühmte Glöckchen um den Hals hilft nur bedingt. Viele Katzen lernen schnell, sich so zu bewegen, dass es nicht bimmelt.
• Gestalten Sie Ihren Garten naturnah, in einer solchen Umgebung finden die Vögel genü-gend Nahrung und Nistmöglichkeiten. Einheimische Stauden, Sträucher und Bäume bieten zudem bessere Versteckmöglichkeiten
Zwei Fragen, die immer wieder gestellt und von der Vogelwarte Sempach beantwortet werden:
Was soll ich tun,
wenn ich einen Jungvogel ausserhalb seines Nestes gefunden habe?
Junge Vögel haben die besten Überlebenschancen, wenn sie von ihren eigenen Eltern gefüttert und aufgezogen werden. Deshalb gilt: Auf keinen Fall sofort mit nach Hause nehmen! Eventuell kann man das Nest finden und das Junge wieder hineinsetzen. Falls das nicht möglich ist: Halten Sie Abstand vom Jungvogel, mindestens 50 Meter. Die Altvögel sind ganz in der Nähe und warten nur darauf, dass Sie sich entfernen, damit sie ihr Junges weiterfüttern können. Erst wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Jungvogel verlassen ist, d. h. wenn er über eine Stunde lang nicht gefüttert wurde, aufnehmen und eine Pflegestation benachrichtigen. Adressen erfahren Sie über die Vogelwarte Sempach oder den lokalen Tierschutzverein.
Jungvögel im Siedlungsgebiet:
Junge Vögel können noch nicht richtig fliegen, wenn sie das Nest verlassen; sie sind darum leichte Beute für Katzen. Es hilft, junge Vögel katzensicher auf einen Strauch oder Baum zu setzen; wenn möglich Katzen ein paar Tage einsperren.
Was soll ich tun, wenn ich einen verletzten Vogel gefunden habe?
Erwachsene Vögel sind scheu, Kontakt mit Menschen bedeutet immer zusätzlichen Stress. Erste Hilfe: In einer Kartonschachtel mit Deckel (d. h. dunkel) ruhig stellen. Pflegestation kontaktieren. (Adressen im Beitrag „Adressen und Hinweise“).
Gefahr Glas
Während jährlich hunderttausende von Vögeln ihr Leben unter Katzenpfoten lassen müssen, verenden sicher ebenso viele, weil sie in spiegelndes oder zu transparentes Glas fliegen.
Gläserne Balkongeländer mit Pflanzen dahinter und moderne, Natur spiegelnde Fensterscheiben sind Todesfallen. Angebrachte Greifvogel-Kleber helfen nur teilweise. Die Glasfabrik Trösch hat mit der Vogelwarte Sempach zusammen ein für Vögel sichtbares Glas entwickelt. „Bird protect home“ mit einer Anti-Reflex-Schicht, „Bird protect office“ mit aussen aufgedruckter hoch reflektierender Schicht, und „Bird protect street“, ein Verbundglas mit innenliegender Folie. Die Mehrkosten dafür sollten bei besonders exponierten Stellen und grossen Glasneubauten in Kauf genommen werden. Informationen bei der Vogelwarte Sempach. Eine Dokumenta-tion von 52 Seiten “Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht“ kann von deren Homepage heruntergeladen werden.
Fledermäuse
Ähnliches wie für Vögel gilt für die einzigen fliegenden Säugetiere: die Fledermäuse. Auch sie sind auf Ritzen, Nischen und Baumhöhlen angewiesen, auch sie profitieren von Pflanzen, welche Insekten anziehen, hier besonders nachtaktive. Solche sind z.B.: Nickendes Leimkraut (Silene nutans), Borretsch (Borago officinalis), Nachtviole (Hesperis matronalis), Dunkle Königskerze (Verbascum nigrum), Nachtkerzen (Oenothera-Arten). Solche Nachtblüher verströmen einen lockenden Duft für Nachtfalter – ein Leckerbissen für Fledermäuse.
Fledermäuse beanspruchen wenig Platz: 50 Zwergfledermäusen etwa genügt ein Hohlraum von der Grösse eines Telefonbuches! Weibchen scharen sich zu Wochen-stuben zusammen und gebären dort ihre Jungen. Ihr zwitscherndes Geflüster ist oft sogar tagsüber zu hören, während die Echo-Rufe von jagenden Adulten sich für uns in unhörbar hohen Frequenzen abspielen. Sollten sich Fledermäuse in ein Zimmer verirren, was manchmal vorkommt, einfach alle Fenster öffnen und das Licht löschen – bald ist der Spuk vorbei.
Die Natur ist zwar kein Dienstleistungsunternehmen, aber es ist doch interessant zu wissen, dass die Fledermäuse uns ausserordentlich gute Dienste leisten. Sie ersparen weltweit Insektizide im Wert von 22.9 Milliarden Franken jährlich.
Tipp: Im Oktober/November verschwinden unsere Fledermäuse in ihre Winterquartiere in öst-lichen grossen Höhlensystemen. Unterdessen ist die kleine Rauhautfledermaus von ihrem nor-dischen Sommerquartier bei uns eingetroffen und sucht nach einem geschützten Versteck in Holzbeigen oder Stallwänden. Bitte nicht erschrecken, wenn mit dem Holz fürs Chemineefeuer gleich ein kleiner Passagier mit in die warme Stube kommt. Fledermäuse lassen bei Kälte ihre Temperatur auf wenige Grad sinken, ihre Atmung und Herzschläge gehen jetzt sehr langsam und energiesparend, ähnlich dem Schlafmodus des Computers. Wenn möglich sollten sie noch wäh-rend ihrer Kälte-Starre (Torpor) sogleich wieder im Freien an einer vor grosser Kälte, Katzen und Mardern gut geschützten Stelle versorgt werden. Sind sie schon munter, brauchen sie Wasser und Mehlwürmer und sollten in einer Fledermausstation überwintern können (Adressen im Bei-trag „Adressen und Hinweise“).
Nachtduftende Blüher:
z.B.Nachtkerze (re) oder auch Nachtviole, Dunkle Königskerze